Juni 2025 // Künstliche Intelligenz

Die neue Allianz der USA mit Saudi-Arabien und den VAE

Prof. Dr. Joachim Krause leitete das Institut für Sicherheitspolitik an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel von 2002 bis 2023 und ist nun Direktor emeritus. Er war von 2001 bis 2016 Professor für Internationale Politik und Direktor am Institut für Sozialwissenschaften, Bereich Politikwissenschaft. Zudem wirkte er als geschäftsführender Herausgeber von SIRIUS - der deutschsprachigen Zeitschrift für strategische Analysen.

US-Präsident Trumps erste Auslandsreise führte ihn vom 13. bis zum 16. Mai 2025 in den Nahen Osten. Es ging nach Saudi-Arabien, Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Unter den Teilnehmern seiner Delegation waren die Chefs der wichtigsten Tech-Giganten der USA: Neben Elon Musk waren das Jensen Huang von Nvidia, Sam Altman von OpenAI, Larry Fink von BlackRock, Andy Jassy von Amazon, und Alex Karp von Palantir. Sowohl in der saudischen Hauptstadt Riad als auch in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, wurden bedeutende Abkommen zur Zusammenarbeit im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) geschlossen, die das Potential haben, die globale Entwicklung in dieser Branche vorzugeben. Diese Entwicklung wurde in Deutschland bislang wenig zur Kenntnis genommen. Dabei dürften Weichenstellungen erfolgt sein, die das nächste Jahrzehnt prägen könnten.

Die Vereinbarungen mit Saudi-Arabien

Das Interesse Saudi-Arabiens an KI ist schon seit einigen Jahren bekannt. Es ist Teil der Strategie von Kronprinz Mohammed bin Salman, die Abhängigkeit seines Landes von Erdölexporten bis zum Jahr 2030 zu verringern. Saudi-Arabien soll ein internationales Drehkreuz für KI werden mit Schwerpunkt auf der arabischen Welt. Seit 2022 bemüht sich das Land zielgerichtet darum, ausländische Firmen für Investitionen im KI-Sektor zu gewinnen. Im Februar 2025 aus Anlass der Technologieausstellung LEAP in Riad wurde bekannt, dass Saudi-Arabien mittlerweile Investitionszusagen in Höhe von 42,5 Mrd. US-Dollar aus dem Ausland erhalten hat. Darunter befinden sich Vorhaben zum Bau von Datenzentren und zu deren Versorgung mit Strom, zur Ausbildung von KI-Experten im Land und zur Entwicklung und Umsetzung unterschiedlicher Anwendungen. Im Mai 2025, kurz vor Trumps Besuch, hat der Staatsfond Saudi-Arabiens die KI-Firma Humain gegründet, die vor allem in vier Sektoren tätig sein wird: (1) Die Herstellung von großen Datenzentren der nächsten Generation, (2) die Entwicklung von KI-Infrastrukturen und Cloud-Technologien, (3) die Weiterentwicklung von KI-Modellen und Lösungen; und (4) die Entwicklung von multimodalen arabischsprachigen KI-Anwendungen. Humain ist auch gegründet worden, um die zentrale Anlaufstelle für ausländische Firmen zu sein. 

Die Hoffnungen Saudi-Arabiens auf eine zentrale Rolle in der sich entwickelnden internationalen KI-Ökonomie beruhen auf zwei Pfeilern: zum einen der Möglichkeit, große Energiemengen zu günstigen Preisen zur Verfügung zu stellen, zum anderen der Existenz eines regulatorischen Umfelds, das deutlich weniger restriktiv ist als dasjenige der Europäischen Union oder der USA unter Biden. Der hauptsächliche Nachteil ist der Mangel an Humankapital, sprich an ausgebildeten Experten.

Saudi-Arabien unterscheidet sich bezüglich des regulatorischen Rahmens deutlich von der EU. Dass das Ausmaß der Regulierung der EU im Bereich der KI ein Investitionshindernis sein kann, wurde auf dem KI-Gipfel in Paris im Februar 2025 deutlich. Hier kündigte die US-Administration eine Reduzierung der Regulierungen an, die die Biden-Administration erlassen hatte. Das europäische Regulierungssystem gerät damit in die Defensive. Es war der französische Präsident Emmanuel Macron, der die Gefahr kommen sah, dass Europa in dem jetzt anlaufenden weltweiten Wettlauf um die wichtigsten Datenzentren und Anwendungen benachteiligt wird. Diese Befürchtung Macrons scheint sich jetzt zu bestätigen.

Der Besuch Trumps hat den Ambitionen Saudi-Arabiens großen Auftrieb gegeben. Im Einzelnen wurden eine Vielzahl von Investitionszusagen wichtiger amerikanischer Tech-Unternehmen gemacht: 

  • Der Netzwerkausrüster Cisco vereinbarte mit Humain den Aufbau einer globalen KI-Infrastruktur, die offen, skalierbar, widerstandsfähig und kosteneffizient sein soll. Die Initiative sieht vor, die KI-Infrastruktur Saudi-Arabiens von Grund auf aufzubauen. Sie zielt darauf ab, Saudi-Arabien als weltweit führend im Bereich der digitalen Innovation zu positionieren. Über den finanziellen Umfang wurde nichts bekannt. Neben dem Netzwerkausbau verpflichtete sich Cisco zur Einrichtung eines KI-Instituts an der King Abdullah Universität für Wissenschaft und Technologie und zur digitalen Weiterbildung von 500.000 Personen.

  • Auch der Chiphersteller AMD traf eine Vereinbarung zur Beteiligung an dem Aufbau der von Humain betriebenen KI-Infrastruktur. Gedacht ist dieses Mal an die Lieferung von AMD-basierten KI-Rechenzentren. Das Netzwerk soll sich vom Königreich Saudi-Arabien bis in die Vereinigten Staaten erstrecken. Beide Firmen werden bis zu 10 Milliarden US-Dollar investieren, um in den nächsten fünf Jahren 500 Megawatt KI-Rechenkapazität bereitzustellen. Humain wird die End-to-End-Bereitstellung überwachen, einschließlich Hyperscale-Rechenzentren, nachhaltiger Stromversorgungssysteme und globaler Glasfaserverbindungen, und AMD wird das gesamte Spektrum des AMD AI Compute-Portfolios und des offenen Software-Ökosystems AMD ROCm bereitstellen. Zum Vergleich: 500 Megawatt Rechenkapazität entsprechen der gesamten Rechenkapazität Polens, diejenige Deutschlands liegt derzeit in der Größenordnung von 2.000 Megawatt.

  • Der Chiphersteller Nvidia hat erklärt, dass er in den nächsten fünf Jahren mehrere hunderttausend seiner fortschrittlichsten KI-Prozessoren an die saudische Firma Humain liefern wird, darunter 18.000 KI-Systeme vom Typ GB300 Grace Blackwell.

  • Eine weitere Vereinbarung wurde zwischen Humain und der US-Firma Qualcomm geschlossen. Absicht ist es, eine strategische Zusammenarbeit für die Entwicklung von KI-Rechenzentren, Infrastrukturen und Cloud-to-Edge-Diensten der nächsten Generation einzugehen. Im Einzelnen geht es um die Entwicklung und den Bau hochmoderner KI-Rechenzentren in Saudi-Arabien, die darauf ausgelegt sind, hocheffiziente, skalierbare Cloud-to-Edge-Hybrid-KI-Inferenzlösungen für lokale und internationale Kunden auf der Grundlage der Edge- und Rechenzentrumslösungen von Qualcomm Technologies bereitzustellen. Zudem sollen Rechenzentren im Rahmen der KI-Cloud-Infrastruktur von Humain betrieben werden. Beabsichtigt ist auch die beschleunigte Nutzung der KI-Cloud-Infrastruktur von Humain durch die Nutzung von Edge-Geräten, die von modernen Snapdragon- und Dragonwing-Prozessoren von Qualcomm Technologies angetrieben werden. Über den finanziellen Umfang des Engagements von Qualcomm gibt es keine Angaben, aber es wird ein umfangreiches Projekt sein.

  • Amazon vereinbarte mit Humain Investitionen von mehr als 5 Milliarden Dollar, um eine „KI-Zone“ in Saudi-Arabien aufzubauen.

  • Die saudische Risikokapitalfirma STV will einen 100-Millionen-Dollar-Fonds für KI-Startups auflegen, an dem sich auch Google beteiligen will.

Die Vereinigten Arabischen Emirate als Vorreiter der KI

Noch weitgehendere Zusagen im Bereich KI machten Trump und seine Delegation den Vereinigten Arabischen Emiraten, die schon länger sehr ambitionierte Pläne im Bereich der KI verfolgen und die in den vergangenen Jahren ebenfalls große Investitionen getätigt hatten. Auch hier ist das regulatorische Umfeld ebenso günstig wie in Saudi-Arabien. Im Unterschied zu Saudi-Arabien sind die VAE schon seit mehr als 10 Jahren bestrebt, zu Beginn der 30er Jahre eines der weltweit führenden KI-Länder zu werden. Seit 2017 hat das Land mit Omar Sultan al-Olama einen eigenen Minister für KI und schon lange vor Saudi-Arabien entstand eine staatlich geförderte KI-Firma (G24). Diese setzt eigene Projekte um und stellt den zentralen Kooperationspartner für internationale Firmen dar. Auch haben Institutionen in den VAE vielfältige Anstrengungen unternommen, um geeignetes Personal zu rekrutieren und auszubilden – oft aus dem Ausland. Die VAE wurden dabei stark von China umworben. Nicht zuletzt um China gegenüber Punkte zu machen, hat sich Trump zu Zusagen hinreißen lassen, die in den USA allerdings auch auf scharfe Kritik stießen.

Die Regierungen der Vereinigten Arabischen Emirate und der Vereinigten Staaten haben sich aus Anlass des Besuches von Trump laut einer Presseerklärung des US-Handelsministeriums darauf geeinigt, einen Rahmen für eine Partnerschaft zur Beschleunigung der KI-Entwicklung (US-VAE AI Acceleration Partnership) zu schaffen. Ziel ist es die Zusammenarbeit rund um kritische Technologien weiter zu stärken und den Schutz dieser Technologien auf der Grundlage einer Reihe gemeinsamer Verpflichtungen zu gewährleisten. In einem ersten Schritt soll ein Datenzentrum geschaffen werden, welches einen Stromverbrauch von einem Gigawatt zur Folge haben wird. Dieses soll später auf 5 Gigawatt erweitert werden.

Lennart Heim von der RAND Corporation schätzt, dass ein neuer 5GW-KI-Campus in Abu Dhabi bis zu 2,5 Millionen KI-Prozessoren des Typs NVIDIA B200 unterstützen würde. Das wäre, so Heim, größer als alle anderen großen Ankündigungen zur KI-Infrastruktur, die wir bisher gesehen haben. Basis dieser Aussage ist die untenstehende Graphik, die die derzeit bekanntesten Projekte für Datenzentren anhand ihres voraussichtlichen Strombedarfs vergleicht

Quelle: CNN

Die Vereinbarung zum Bau des Campus wird den VAE den Zugang zu fortschrittlichen KI-Prozessoren und den dort enthaltenen leistungsfähigen Chips ermöglichen. Die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate haben zwar nicht öffentlich gemacht, welche KI-Prozessoren in die Rechenzentren aufgenommen werden könnten. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte Experten, denen zufolge es den VAE erlaubt sein würde, ab 2025 jedes Jahr 500.000 der fortschrittlichsten KI-Prozessoren von Nvidia zu importieren – deutlich mehr als Saudi-Arabien. Bloomberg spricht sogar von mehr als einer Million hochwertiger Prozessoren. Das Abkommen wird politisch als ein großer Gewinn für die VAE angesehen, die versucht haben, ihre Beziehungen zu ihrem langjährigen Verbündeten, den USA, und ihrem größten Handelspartner China auszugleichen. Während der Präsidentschaft von Joe Biden hatte das Unternehmen nur begrenzten Zugang zu derartigen Prozessoren, das hat sich nun unter Trump geändert. Teil der Vereinbarungen zwischen den USA und den VAE ist auch, dass sich die VAE an Investitionen in Datenzentren in den USA beteiligen wird. Diese sollten mindestens so groß wie diejenigen in der VAE sein.

Die Vereinbarungen im Bereich der KI-Entwicklung haben das Potential für erhebliche strategische Verschiebungen. Es entsteht durch diese Abkommen zwar nicht die „neue Weltordnung“, wie es das Handelsblatt formuliert hat oder ein „KI-Imperium“, so wie es die FAZ ausdrückte. Aber beide Länder haben durch die Kooperation mit den Tech-Giganten der USA die Chance, in der künftigen globalen Struktur der KI-Entwicklung eine einflussreiche Position einzunehmen und zu mächtigen Akteuren zu werden.

Im Wesentlichen geht es hier um die Konkurrenz zwischen den USA und China darüber, wer die Infrastruktur, die Netzwerke, die Hardware, die Software und wer die enormen Energieleistungen liefern kann, die eine sich fortlaufend entwickelnde regenerative KI benötigt. Es geht um die Strukturierung („shaping“) der globalen Ausbreitung der KI-Technologie. Diese läuft über Allianzen mit willigen und kompetenten Partnern und Ausgrenzung gegenüber China und dessen Partnern. Die Europäer scheinen derzeit in diesem Spiel eher eine untergeordnete Rolle einzunehmen. Hier liegt das eigentliche strategische Problem: Die Trump-Administration sucht nicht die Kooperation mit den traditionellen Alliierten, sondern mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und mit Saudi-Arabien. Wie erfolgreich das sein wird, bleibt aber offen. Die große Unbekannte bleibt das Humankapital in diesen Ländern.

Ein weiteres Problem, welches mittlerweile von Kritikern in den USA aufgeworfen wird, betrifft den qualitativen Charakter des Transfers von hochwertigen Rechenprozessoren, etwa der Nvidia H100 oder der nächsten Generation der Nvidia GB200, die mehr als die doppelte Leistungsfähigkeit der H100 haben. Laut einer Analyse der Carnegie-Stiftung gelten Transfers von zehntausenden von Prozessoren der H100 Kategorie nach den bisherigen Richtlinien als unproblematisch. Bei Größenordnungen von 500.000 und mehr Prozessoren, und das ist der Fall im Geschäft mit Saudi-Arabien und den VAE, besteht die Gefahr, dass die US-Regierung die Kontrolle in zweierlei Hinsicht verliert: zum einen besteht die Gefahr des offshorings, d.h. Firmen entstehen, die die Konkurrenzfähigkeit amerikanischer Firmen beeinträchtigen (vergleichbar der Deindustrialisierung). Zum zweiten besteht die Gefahr, dass nicht gesichert werden kann, dass hochwertige Prozessoren nach China gelangen, welches derzeit vom Erwerb dieser Rechner und der in ihnen enthaltenen Chips ausgeschlossen ist. Zwar sind zwischen der US-Administration und den Verantwortlichen auf Seiten der VAE und Saudi-Arabiens entsprechende Sicherheitsabkommen geschlossen worden. Wie sicher diese sind, lässt sich nicht beantworten, weil die Abkommen vertraulich bleiben.

Die Kooperation im Bereich der KI mit amerikanischen Großfirmen geht auf Initiativen dieser Firmen zurück und bedeutet eine strategische Weichenstellung im Bereich der globalen KI-Entwicklung, die in ihrer Reichweite nicht unterschätzt werden sollte. Allerdings lässt der Umfang der Kooperationszusagen der amerikanischen Seite erkennen, dass Trump in Widerspruch zu seiner Make-Amerika-Great-Again Rhetorik gerät, indem er mehr oder weniger die Verlagerung von industriellen Kapazitäten ins Ausland zulässt – etwas was er eigentlich verhindern wollte.


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