Exklusiv: Die führenden Köpfe der deutschen Sicherheit. Politik, Behörden, Justiz.
Perspektiven der Sicherheit
In der Serie Perspektive Sicherheit geben die führenden Köpfe der deutschen Sicherheitspolitik- und Behörden den Leserinnen und Lesern Einblick ihr persönliches Lagebild der Sicherheit. Sie erklären exklusiv in Lagebild Sicherheit, welche Herausforderung aus ihrer Sicht jetzt dringend wird. Wie immer bei Lagebild Sicherheit gilt auch beiden diesen Einschätzungen der Lage: Präzision bitte.
Dargelegt haben ihre Perspektive im Lagebild Sicherheit bereits: Boris Pistorius, Marco Buschmann, Ralf Hoffmann, Sven Weizenegger, Alexander Sollfrank, Michael Ebling, Markus Laubenthal, Ulrich Schlie, Wolf-Jürgen Stahl, Christian Badia, Joachim Krause, Falko Droßmann, Kerstin Vieregge, Florian Hahn, Siemtje Möller, Markus Richter, Andreas Meyer-Falcke, Thomas Haldenwang, Gerhard Schabhüser, Alfons Mais, Jürgen Setzer, Anke Kaysser-Pyzalla, Sara Nanni, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Anton Hofreiter, Konstantin von Notz, Roderich Kiesewetter, David McAllister, Hans-Peter Bartels, Thomas Strobl, Peter Beuth, Joachim Herrmann, Christoph Heusgen, Sönke Neitzel, Christoph Meinel, u.v.m.
Perspektiven erscheinen wöchentlich im Lagebild Sicherheit.
Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung
Boris Pistorius: Wir brauchen eine Bundeswehr, die stark ist und die auch abschreckt.
„Nur so können wir verhindern, dass es zum Äußersten kommt. Krieg verhindern kann nur, wer sich darauf vorbereitet. Aber das allein reicht nicht. Wir sehen uns derzeit weltweit mit einer Vielzahl von sicherheitspolitischen Umbrüchen und Konflikten konfrontiert. Ob in Israel, im Jemen, in Syrien, auf dem Balkan, im Kaukasus oder im Infopazifik, wir müssen daher auch an anderen Orten dieser Welt Stellung beziehen können, mit unseren bewährten Maßnahmen aus Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit, aber wenn nötig eben auch militärisch.“
Prof. Dr. Sönke Neitzel, Professor für Militärgeschichte/Kulturgeschichte der Gewalt an der Universität Potsdam
Sönke Neitzel: Am Ende wird die entscheidende Frage sein, ob Boris Pistorius ein mutiger Mann ist.
„Das Ministerium, den Personal- und den Rüstungsbereich müsste Boris Pistorius reformieren. Nun steht es mir nicht zu, konkrete Ratschläge für das operative Geschäft zu geben. Die Zentralisierung der Bundeswehr hat sich aber nicht bewährt. Das würde bedeuten, wieder die Führungsstruktur von vor dem Dresdener Erlass 2012 zu nutzen: Die SKB auflösen, den zentralen Sanitätsdienst auflösen, die Inspekteure deutlich stärken. Gleichzeitig muss der Wasserkopf verkleinert werden. Wir haben jetzt mehr Generäle als zu Zeiten des Kalten Krieges. Das Argument, im laufenden Betrieb könne man die Bundeswehr nicht reformieren, ist keines. Dann könnte sich der Staat niemals reformieren. Am Ende wird die entscheidende Frage sein, ob Boris Pistorius ein mutiger Mann ist.“
Dovile Sakaliene, Verteidigungsministerin der Republik Litauen
Dovile Sakaliene: Russia’s ongoing aggression in Ukraine and its broader ambitions pose the most serious threat to the security of NATO and the European Union’s Eastern flank.
“Through conventional warfare, nuclear threats, and hybrid operations, Russia is attempting to reshape the European security order. Lithuania is responding with resolve. We are significantly strengthening our national defence and will invest 5 per cent to 6 per cent of GDP. The continued forward presence of the U.S., the German brigade, and Allied troops on NATO’s Eastern flank is vital for deterrence. Allies must increase their defence investments. Simultaneously, the EU must step up by providing targeted funding to scale up the defence industry – capable of supplying weapons for contemporary, large and high-intensity war.“
Generalleutnant Alfons Mais, Inspekteur des Heeres der Bundeswehr
Alfons Mais: Die weiteren Verpflichtungen und Aufgaben nicht aus dem Auge verlieren.
„Auch wenn der Schwerpunkt absehbar im Baltikum bei unseren Verbündeten liegen wird, heißt das nicht, dass wir unsere weiteren Aufgaben aus den Augen verlieren. Das Heer wird auch in Zukunft die Forderung zur permanenten Bereitstellung eines Evakuierungsverbandes für das nationale Risiko- und Krisenvorsorge ebenso unverändert verlässlich erfüllen, wie wir unseren Einsatzverpflichtungen im Rahmen des internationalen Krisenmanagements nachkommen werden. Was die unmittelbaren Auswirkungen der NATO-Erweiterung in Skandinavien angeht, ist es noch zu früh, um die Auswirkungen in Gänze abschätzen zu können. Dennoch ist davon auszugehen, dass wir in einem 360 Grad Ansatz auch immer Kräftedispositive an den Flanken der NATO werden einsetzen können müssen. In diesem Kontext weise ich gerne auch noch auf die anstehenden neuen Verpflichtungen im Rahmen des strategischen Kompasses der EU hin, die wir auf keinen Fall vernachlässigen dürfen.“
Joachim Herrmann (CSU), Bayrischer Staatsminister des Inneren, für Sport und Integration
Joachim Herrmann: Wir stehen im Bereich der Inneren Sicherheit vor großen Herausforderungen, da Cyber-Bedrohungen – auch im Kontext des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine – qualitativ immer mehr zunehmen.
„Exemplarisch sind Hackerangriffe auf staatliche und wirtschaftliche Stellen zu nennen. Zur Abwehr dieser Gefahren sind schnelles, behördenübergreifendes Handeln und hochqualifizierte Expertise notwendig. In Bayern sind wir hier mit unserer Kooperationsplattform „Cyberabwehr Bayern“ bereits seit mehreren Jahren bestens aufgestellt. Behördenübergreifende Kooperation und operative Koordinierung sind notwendig, um diesen Gefahren bestmöglich begegnen zu können.“
Generaloberstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann, Befehlshaber des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr
Ralf Hoffmann: Die Versorgung einer größeren Anzahl von Patientinnen und Patienten, besonders im Szenar der Landes- und/oder Bündnisverteidigung, stellt eine gesamtstaatliche Aufgabe dar, da die vorhandenen medizinischen Behandlungs-und Transportkapazitäten der Bundeswehr erwartbar nicht ausreichend sind.
„Ergänzend zu der Versorgung deutscher Patientinnen und Patienten ist auch die Patientenbehandlung für multinationale Partner mitzubedenken, die Deutschland als Transit- oder Behandlungsraum nutzen. Eine resiliente Verteilungs- und Behandlungsstruktur ist Grundlage für den zielgerichteten und ressourcenschonenden Patientensteuerungsprozess, vermeidet regionale Überlastungen und ist wesentlich für das Behandlungsergebnis. Hierzu ist die Einbindung ziviler Partner und Rollenträger erforderlich.“
Dr. Marco Buschmann (FDP),
Bundesminister der Justiz a. D.
Marco Buschmann: Wir brauchen eine europäische Armee.
„In Europa gilt: Das Recht verstummt nicht, wenn Waffen sprechen. Unsere Rechtsstaaten sind wehrhaft. Angesichts gewaltiger Feindseligkeiten an den Grenzen der Europäischen Union beweisen wir, dass unsere liberalen Werte auch militärischen und paramilitärischen Angriffen standhalten. Unsere Stärke liegt im gemeinsamen Handeln, basierend auf einer freiheitlich demokratischen Ordnung. Die Errichtung einer europäischen Armee ist daher in meinen Augen eine zwingende Notwendigkeit, um unsere Rechtsstaatlichkeit zur Not auch militärisch zu verteidigen. Sie ist unerlässlich, damit wir auch zukünftig in Sicherheit, Freiheit und Wohlstand leben.“
Sven Weizenegger, Leiter des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr
Sven Weizenegger: Sicherheitspolitik beginnt heute mit Innovationsfähigkeit.
„Der Krieg in der Ukraine zeigt: Wer schnell lernt, flexibel reagiert und technologische Chancen mutig nutzt, kann sich behaupten. Statt Bedenkenträgertum brauchen wir ein anderes Verständnis von Risiko – als Hebel für Wirkung. Statt neuer Innovationsagenuturen müssen wir bestehende Intuitionen, die heute liefern können, stärken. Um Fähigkeitslücken zu schließen, muss Verteidigung digital, vernetzt und nutzerzentriert gedacht werden: Software statt nur Plattform, Wirkung statt Perfektion. Tempo und Kooperation mit Mittelstand, Startups und Wissenschaft sind kein Luxus, sondern Voraussetzung für unsere Einsatz- und in letzter Konsequenz Siegfähigkeit.“
Generalleutnant Alexander Sollfrank, Befehlshaber des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr
Alexander Sollfrank: Russland ist die zentrale Bedrohung für Frieden und Freiheit in Europa. Hinzu kommen weitere Bedrohungen wie der internationale Terrorismus.
„Deutschland muss sich davor schützen, muss vor allem einen russischen Angriff auf Europa wirksam abschrecken. Dafür brauchen wir moderne und einsatzbereite Streitkräfte, personell wie materiell voll ausgestattet und bereit, ihren Auftrag zu erfüllen. Gesamtstaatliche Verteidigung setzt auf eine Verteidigungsplanung wie den Operationsplan Deutschland und wirksame Zivilverteidigung. Wehrhaftigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ein Land, das über keine schlagkräftigen Streitkräfte und keine resiliente Gesellschaft verfügt, ist nicht friedfertig, sondern schutzlos.“
Minister des Inneren und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz
Michael Ebling: Die anhaltende Bedrohung von außen ist eine zentrale Herausforderung für unsere Demokratie.
„Insbesondere die jüngsten Drohnenüberflüge im Luftraum kritischer Infrastruktur und militärischer Einrichtungen verdeutlichen dabei die Vehemenz, mit der autokratische Staaten versuchen, Einfluss in unserem Hoheitsgebiet zu gewinnen. Die deutschen Sicherheitsbehörden müssen deshalb länderübergreifend die Abwehr von Sabotage- und Spionagehandlungen stärker in den Fokus nehmen, um gemeinsam die Resilienz der Bundesrepublik Deutschland gegen neue und hybride Bedrohungen weiter zu stärken.“
General Markus Laubenthal, Chief of Staff Supreme Headquarters Allied Powers Europe
Markus Laubenthal: Was braucht es, um Europas Sicherheit zu wahren?
„Die NATO – das beweist sie Tag für Tag, 360 Grad. Gut vorbereitete Verteidigung ist glaubwürdige Abschreckung. Jede Nation muss dafür noch rascher das liefern, was sie zugesagt hat, um heute und morgen verteidigungsbereit zu sein. Und wir dürfen unseren Gegnern nicht den Gefallen tun und die langjährige Partnerschaft von Europa und den USA in Frage stellen. Stattdessen tun wir gut daran, zügig militärisch Verantwortung zu übernehmen als Europa für Europa – und das in der Allianz. Militär ist auch ein Instrument der Macht und des Einflusses: Wir laufen Gefahr, als Europa nicht ernst genommen zu werden und nicht am Tisch zu sitzen. Kriegstüchtig zu sein, ist kein Ratschlag, sondern Ausdruck von Wachsamkeit – dem Preis für unsere Freiheit.“
Florian Hahn (CSU), Staatsminister im Auswärtigen Amt
Florian Hahn: Wir müssen zu glaubwürdiger Abschreckung in der Lage sein.
„Dafür braucht es Material, Personal, Geld und die Fähigkeit, in einem Krieg zu bestehen. Aktuell schrecken wir nicht ab. Es fehlt beispielsweise an der Nutzung von KI und Drohnen. Aktuell verfügt die Bundeswehr gerade einmal über eine dreistellige Anzahl von Drohnen, keine davon bewaffnet. Pistorius hat hier keinerlei Ambitionen gezeigt. Er hat zweieinhalb Jahre verschenkt. Mein Wunsch: Der Aufbau einer Drohnenarmee mit 100.000 Drohnen für alle Teilstreitkräfte und Einsatzmöglichkeiten. Das ist zeitgemäß, schreckt ab und bringt die Truppe endlich vor die Lage.“
General Christian Badia, Deputy Supreme Allied Commander Transformation, NATO’s Strategic Warfare Development Command
Christian Badia: NATO-Europa muss mehr tun!
„Die amerikanischen Sicherheitsgarantien für Europa existieren nicht mehr, wie bisher angenommen. Die US-Administration hat deutlich gemacht, dass Europa für seine eigene Sicherheit verantwortlich ist. Das ist keine Überraschung! Der „Pivot to Asia“ wurde bereits unter Präsident Obama eingeleitet, und die „America First“-Politik prägte Präsident Trumps erste Amtszeit. Dennoch schien Europa bis zur zweiten Februarwoche sicherheitspolitisch auf das Prinzip Hoffnung zu bauen. Es ist nun unerlässlich, verstärkt in die europäische Verteidigung zu investieren. Zwei Prozent des BIP reichen nicht mehr aus; drei Prozent müssen als neues Minimum gelten. Geschwindigkeit ist entscheidend, und ein „Weiter so“ darf es in der Verteidigung nicht mehr geben.“
Prof. Dr. Ulrich Schlie, Direktor des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies sowie Henry-Kissinger-Professor für Sicherheits- und Strategieforschung am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bonn
Ulrich Schlie: Die größte sicherheitspolitische Herausforderung unserer Zeit besteht darin, die NATO als Stabilitätsanker in einer zunehmend unsicheren Welt zu erhalten.
„Die Rivalität mit China wird tonangebend für die nächsten zehn Jahre sein. Russland bleibt auf absehbare Zeit eine Bedrohung. Die Machtverschiebungen im Nahen Osten - die Selbstbehauptung Israels, der Fall Assads, die Schwäche Irans - beschreiben eine neue Lage. Europa muss sich neu aufstellen: Stärkung der Ukraine, Vermeidung von Zonen unterschiedlicher Sicherheit in Europa und weitere Anpassung der sicherheitspolitischen Strukturen sind jetzt Priorität.“
Vizeadmiral Dr. Thomas Daum, Inspekteuer Cyber- und Informationsraum
Thomas Daum: Die sicherheitspolitische Zeitenwende in Folge des russischen Überfalles auf die Ukraine findet vor dem Hintergrund der weiteren Digitalisierung der Streitkräfte und einer rapiden innovativen Technologisierung des Gefechtsfeldes statt.
„Für mich besteht die vorrangige Aufgabe zurzeit darin, die Berücksichtigung dieser Entwicklungen bei der Umsetzung der sicherheitspolitischen Zeitenwende zu gewährleisten. Die Bundeswehr muss insbesondere in der Lage sein, den hybriden Bedrohungen wirkungsvoll entgegenzutreten, denen sich Deutschland im gesamten Spektrum des Cyber- und Informationsraumes ausgesetzt sieht. Gleichzeitig müssen wir die Führungsfähigkeit der Streitkräfte in allen Dimensionen auf ein zukunftsfähiges Niveau heben. Kurzum: Wir müssen die Bundeswehr auch digital kriegstüchtig machen.“
Sara Nanni (Grüne), Obfrau im Verteidigungsausschuss und sicherheitspolitische Sprecherin
Sara Nanni: Die größte Herausforderung der Sicherheit in Europa bleiben die imperialen Ziele Russlands.
„Russland rüstet massiv auf. Ein großer Teil der russischen Ressourcen fließen in den laufenden Konflikt um die Ostukraine. Aber wir sehen auch: Russland hat unter Vladimir Putin größere Ziele. Es geht ihm um Europa. Die EU hat wichtige Schritte unternommen, um besser auf einen möglichen Angriff Russlands auf EU Territorium vorbereitet zu sein. Aber die Mitgliedstaaten, auch Deutschland, gehen diese Schritte nicht energisch genug mit. Wir werden deutlich mehr investieren müssen um unsere Sicherheit zu garantieren: politisch und auch finanziell.“
Generalmajor Wolf-Jürgen Stahl, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Wolf-Jürgen Stahl: Ohne gelebte Integrierte Sicherheit gefährden wir unsere nationale Sicherheit.
„Die größte Herausforderung ist der Übergang von Theorie zur Praxis bei der Integrierten Sicherheit. Die geopolitische Lage verschärft sich rasant, hybride Angriffe sind bereits Alltag. Eine gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Antwort ist unverzichtbar, jedoch kein Automatismus. Wir brauchen konkrete Strukturen: einen Nationalen Sicherheitsrat und einen ressortübergreifenden Koordinator für die Gesamtverteidigung. Parallel dazu benötigen wir eine breite Aufklärungskampagne, die der Bevölkerung den Sicherheitsgewinn durch Handeln vermittelt und ihre Rolle als aktiver Mitgestalter verdeutlicht. Ohne gelebte Integrierte Sicherheit gefährden wir unsere nationale Sicherheit.“
Arvydas Anusauskas,
Verteidigungsminister der Republik Litauen a. D.
Arvydas Anusauskas: We must pace up with Russia’s military capabilities.
“NATO set the new baseline for deterrence and collective defence in Madrid and enforced it in Vilnius. It is important to continue the ongoing adaptation for collective defence at a speedy pace. Russia is rapidly rebuilding its military capabilities and is increasingly hostile towards the West. Recognising the long-term threat posed by Russia, we must allocate substantial budget resources to defence, stimulate the defence industry, invest in military modernisation and capability development. At the same time, we must continue supporting Ukraine in its defence against Russia. Germany made a historic decision in June to station a combat-credible brigade on a permanent basis in Lithuania. We will implement this together with our German friends and will provide the best possible host nation support to German troops and their families.“
Falko Droßmann (SPD), Obmann und Sprecher im Verteidigungsausschuss
Falko Droßmann: Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine lehrt uns: Militärische und zivile Verteidigung sind eigenständig organisiert, müssen jedoch für den Ernstfall als Gesamtverteidigung im direkten Zusammenhang gedacht werden.
„Dafür benötigt es eine enge Abstimmung zwischen allen Beteiligten. Auch die Unterstützung der Bevölkerung und eine resiliente Wirtschaft sind zwingend notwendig. Für einen effektiven Schutz müssen die zivile und militärische Seite zukünftig regelmäßiger üben, als das bisher der Fall war. Darüber hinaus benötigen wir das KRITIS-Dachgesetz, Gesetze für die bessere Verzahnung von Kommunen, Ländern und Bund, stärkere Befugnisse der Sicherheitsbehörden z.B. in der Cyberabwehr sowie die Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel.“
Andreas Könen, Abteilungsleiter a. D., Cyber- und Informationssicherheit im Bundesministerium des Innern
Andreas Könen: Cybersicherheit muss in der Fläche vorhanden sein.
„Die Stärkung der Resilienz von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gegen Cybersicherheitsrisiken ist angesichts der unverändert stark zunehmenden Digitalisierung und der neuen geopolitischen Lage von grundlegender Bedeutung. Mit der Umsetzung der NIS-2-Richtlinie werden in der gesamten EU zukünftig mehr Unternehmen in mehr Sektoren wie Energie, Verkehr, Gesundheit und digitale Infrastruktur Cybersicherheitsvorgaben und Meldepflichten erfüllen müssen. Wir bringen damit Cybersicherheit noch mehr in die Fläche – in Deutschland allein werden zukünftig rund 29.500 Unternehmen reguliert. Auch die Cybersicherheit der öffentlichen Verwaltung der Mitgliedstaaten wird gestärkt und die wertvolle Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten im Cybersicherheitsbereich wird weiter ausgebaut.“
Kerstin Vieregge (CDU), Obfrau im Verteidigungsausschuss
Kerstin Vieregge: Die Wiedererlangung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit Deutschlands hat in der derzeitigen Lage oberste politische Priorität.
„Die substanzielle Stärkung und engere Verzahnung aller diplomatischen sowie wirtschaftlichen Instrumente und insbesondere der Bundeswehr ist hierfür unerlässlich – ebenso wie die Etablierung einer wahrhaftigen strategischen Kultur. Zudem gilt es, die gesamtstaatliche und -gesellschaftliche Resilienz zu stärken und Anfälligkeiten gegenüber hybriden Bedrohungen wie Desinformationskampagnen oder Sabotage gezielt zu reduzieren. Hierfür ist der Aufbau personeller Reserven, durch die Wiedereinführung der Wehrpflicht bzw. allgemeinen Dienstpflicht zwingend notwendig.“
Prof. Dr. Joachim Krause, Direktor emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel
Joachim Krause: Deutsche Sicherheitspolitik steht vor den fundamentalsten Herausforderungen seit den 60er Jahren.
„Wir haben wieder eine militärische Bedrohung durch ein imperialistisches Russland, gleichzeitig orientieren sich die USA unter Donald Trump außen- und sicherheitspolitisch um und werden nicht mehr oder nicht mehr im gleichen Maße bereit sein für die Sicherheit Europas einzutreten. Deutschland wird innerhalb der NATO eine führende Rolle einnehmen müssen und wird um eine Verdoppelung der Bundeswehr und die Einführung der Wehrpflicht nicht herumkommen. Das umzusetzen braucht Jahre, aber die derzeitige Schwäche Russlands bietet dafür eine Chance.“
Konteradmiral Ralf Kuchler, Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg
Ralf Kuchler: Wer auf der Stelle verharrt, verliert.
„Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine führt auch vor Augen: Die Ausbildung unserer Soldatinnen und Soldaten ist unablässig an die aktuellen militärischen Bedrohungen anzupassen. Wer auf der Stelle verharrt, verliert. Wer in der Komfortzone eingefahrener Wege bleibt, gefährdet die Umsetzung unseres Auftrags. Dies gilt auch für die Führungsakademie der Bundeswehr, die mit einem neuen Lehrplan – der Ausbildungslandkarte – Inhalte, Methoden und Kompetenzen für Konfrontationen aller Art vermittelt. Vor allem für den Schwerpunkt der Bundeswehr, die Landes- und Bündnisverteidigung. Dahinter steht die zeitlose Erkenntnis: Zeitgemäße Ausbildung schont Leben. Und dafür trägt die Führungsakademie, als höchste militärische Ausbildungseinrichtung der deutschen Streitkräfte, eine besondere Verantwortung.“
Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber- und Informationstechnik im Bundesministerium der Verteidigung
Michael Vetter: Digitale Führungsfähigkeit ist der Schlüssel.
„Digitale Führungsfähigkeit ist Voraussetzung für die Relevanz von Streitkräften auf dem zunehmend gläsernen Gefechtsfeld. Das Sondervermögen Bundeswehr stellt für die „Dimension Führungsfähigkeit / Digitalisierung“ der Streitkräfte fast 21 Milliarden Euro bereit. Damit investieren wir gezielt in die Zukunft der Streitkräfte und schaffen die Voraussetzungen, um in einem Multi-Domain-Umfeld über Informationsüberlegenheit, Führungsüberlegenheit zu schaffen und diese in Wirkungsüberlegenheit zu übertragen. Wir modernisieren die gesamte Funktionskette von der Rechenzentrumsinfrastruktur in Deutschland bis hin zum abgesessenen Soldaten. Wirkungsvolle KI-Unterstützung, leistungsfähige Sensorik, mobile Rechenzentren und robuste Vernetzung, all dies gilt es jetzt schnell bereitzustellen. Mit den Mitteln des Sondervermögens schaffen wir so die Basis für die umfassende Digitalisierung der Streitkräfte – eine gute Investition!“
Serap Güler (CDU), Staatsministerin im Auswärtigen Amt
Serap Güler: Gesamtstaatlich und gesamtgesellschaftlich resilient werden.
„Die größte Herausforderung in der Sicherheitspolitik zeigen uns der russische Angriffskrieg in der Ukraine und der terroristische Angriff der Hamas in Israel: Deutschland muss verteidigungsbereit sein und gleichzeitig gesamtstaatlich und gesamtgesellschaftlich resilient werden. Äußere und innere Gefahren müssen zusammen gedacht werden, weil sie uns gleichzeitig bedrohen. Großen Anteil an einer Lösung kann ein soziales Gesellschaftsjahr haben. Es würde die Personalnot in systemrelevanten Bereichen entlasten, den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und über Bundeswehr, THW und andere Organisationen die nationale Sicherheit stärken.“
Konteradmiral Axel Schulz, Stellvertretender Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung
Axel Schulz: Stabilität im Indo-Pazifik ist von herausragender Bedeutung für den Welthandel.
„Jeder Konflikt in dieser Region würde auch Deutschland betreffen. Unser Interesse muss deshalb auch sein, die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit der Region weiter zu stärken. Nach den sehr positiven Erfahrungen mit Schiffen der Einsatzflottille 2 im Rahmen des Indo-Pacific-Deployments 2024 entlang der Umsetzung der Leitlinien der Bundesregierung zum Indo-Pazifik gilt es, auch zukünftig die Zusammenarbeit mit unseren Partnern in dieser Region zu verstetigen und gemeinsam mit diesen die internationale Ordnung auf Grundlage des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen aufrechtzuerhalten und mitzugestalten.“
Dr. Konstantin von Notz (Grüne), Stellv. Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages
Konstantin von Notz: Das KRITIS-Dachgesetz ist zentral für unsere Resilienz
„Seit langem sind wir vor bestimmten sicherheitspolitischen Gefahren nur unzureichend geschützt. Ein wirksamer Schutz unserer kritischen Infrastrukturen ist überfällig. Das von uns immer wieder angemahnte und in den Koalitionsvertrag verhandelte KRITIS-Dachgesetz ist eines der wichtigsten Gesetze dieser Wahlperiode. Gut, dass es nun endlich einen konkreten Vorschlag aus dem BMI gibt. Als Grüne Fraktion werden wir das für die Resilienz unserer Demokratie zentrale Vorhaben im Parlament entschlossen vorantreiben. Wir brauchen klare Verantwortlichkeiten und müssen das bestehende Zuständigkeitswirrwarr beim physischen und digitalen Schutz endlich aufzulösen.“
Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Renew Europe), Vorsitzende des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Wir müssen mental kaltstartfähig werden.
„Die größte Herausforderung ist aktuell, nicht nur militärisch, sondern auch mental als Gesellschaft kaltstartfähig zu werden. Wir erleben, dass auch nach einem Jahr des Angriffskrieges und der Kriegsverbrechen die Narrative der russischen Propaganda bei manchen verfangen. Andere sind der Kriegsberichterstattung müde. Die fehlende Resilienz in einigen Teilen der Gesellschaft und die fehlende Strategiefähigkeit im Großteil der Gesellschaft können für uns gefährlich werden, sollte sich die Situation weiter verschärfen. Wir müssen daher weiter über diesen Krieg sprechen. Darüber, was die Invasoren den Ukrainerinnen und Ukrainern antun; aber auch darüber, welche Bedeutung und welche Auswirkungen das für uns hat.“
Dr. Gerhard Schabhüser,
Vizepräsident a. D. des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik
Gerhard Schabhüser: Wir dürfen im Bereich Cybersicherheit keinen Deut nachlassen.
„In einer digitalisierten Welt hängt das Wohlergehen der Bevölkerung stärker als jemals zuvor davon ab, wie gut wir uns gegen IT-Sicherheitsvorfälle gerüstet haben. Dabei ist die Bedrohung im Cyber-Raum so hoch wie nie zuvor. Die Gründe dafür sind insbesondere anhaltende Aktivitäten im Bereich der Cyber-Kriminalität und eine unzureichende Produktqualität von IT- und Software-Produkten. Auch mögliche Cyber-Angriffe im Kontext des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine stellen eine Bedrohung dar. Mit den richtigen Maßnahmen können wir der Bedrohungslage begegnen. Wir dürfen beim Thema Cyber-Sicherheit keinen Deut nachlassen.“
Prof. Dr. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
Anke Kaysser-Pyzalla: Schlüsselkompetenzen müssen gesichert sein.
„Schlüsselkompetenzen zu sichern, insbesondere unserer Analyse- und Bewertungsfähigkeit zu erhalten und auszubauen, sowie entsprechende Technologien sind zur Verfügung zu stellen. Durch das Verknüpfen unserer Expertise in der Luft- und Raumfahrt mit unseren Kompetenzen in Energie und Verkehr, sowie Digitalisierung, können wir das volle Potenzial für die Sicherheits- und Verteidigungsforschung im DLR entfalten. Dabei kommt es darauf an, Kooperationen in einem stabilen Handlungsdreieck von Sicherheitsbehörden, Forschung, Wirtschaft zu stärken. Das aber verlangt unter anderem, dass wir Sicherheits- und Verteidigungsforschung neu, weiter und vor allem gemeinsam denken.“
Dr. Markus Richter, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung
Markus Richter: Die Cyber-Sicherheitslage in Deutschland ist angespannt, wir müssen in die Sicherheit investieren.
„Die Cyber-Sicherheitslage in Deutschland ist angespannt. Eine besondere Herausforderung sind Ransomware-Angriffe auf deutsche Unternehmen, Universitäten und Behörden. Hier ist es zu einem deutlichen Anstieg gekommen. Mit dem UKR-Krieg ist es zu Kollateralschäden weltweit gekommen. Damit muss auch weiterhin gerechnet werden. Eine Reihe von Cyber-Angriffen sind aufgrund von Sicherheitslücken in verbreiteten Softwareprodukten zu beobachten. Hier sind schärfere Rahmenbedingungen für die Hersteller zu setzen. Die Bundesregierung passt die Rahmenbedingung für die Cyber-Sicherheit regelmäßig an. Geplant ist in den nächsten zehn Jahren 20 Mrd. Euro in die Cyber-Sicherheit zu investieren.“
Siemtje Möller (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin a. D. im Bundesministerium der Verteidigung
Siemtje Möller: Wir müssen Cyberangriffen und Desinformation mit einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsarchitektur entgegentreten.
„Von zentraler Bedeutung wird eine verbesserte Reaktionsfähigkeit von EU und NATO gegenüber dynamischen Bedrohungen im Cyber- und Informationsraum sein, beispielsweise bei folgenschweren Cyberangriffen auf kritische Infrastrukturen oder gezielten Desinformationskampagnen. Dazu müssen wir die gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur im Bereich der Cyberabwehr spürbar ausbauen und die Voraussetzungen für eine EU- und NATO-weit koordinierte Reaktion auf Cyberangriffe größeren Ausmaßes schaffen. Die Stärkung der IT-Interoperabilität und das Sicherstellen von Führungsfähigkeit sind zwei dafür unerlässliche Bausteine.“
Thomas Haldenwang, Präsident a. D. des Bundesamtes für Verfassungsschutz
Thomas Haldenwang: Wir stellen fest, dass teilweise noch minderjährige Menschen Gewalt befürworten oder sogar selbst planen.
„Die größte Gefahr für unsere Demokratie bleibt der Rechtsextremismus. Rechtsextremistische Gewalt geschieht in einer Zeit, in der enthemmte Sprache und Hetze online wie realweltlich spürbar zunimmt – und sie befeuern weitere Gewalt und Radikalisierung. Seit mehreren Jahren stellen wir fest, dass vor allem junge und teilweise noch minderjährige Menschen Gewalt befürworten oder sogar selbst Gewalttaten planen. Aber unsere Demokratie ist wehrhaft, und der Verfassungsschutz ist wachsam. Neben staatlichen Institutionen braucht es auch ein starkes zivilgesellschaftliches Engagement, um Hass, Hetze und Gewalt entschieden entgegentreten zu können.“
David McAllister (EVP), Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments
David McAllister: Langfristig ist der Aufstieg Chinas die größte sicherheitspolitische Herausforderung.
„China ist das einzige Land, das die Absicht und zugleich die Mittel hat, die globale Ordnung umzugestalten. Im Zuge der militärischen Modernisierung tritt China im Indo-Pazifik immer bestimmter auf. Darauf muss Europa reagieren, ohne dabei eine ernste Konfrontation mit China zu riskieren. Denn China ist zugleich Wettbewerber, systemischer Rivale und wirtschaftlicher Partner. Dieser Dreiklang macht die Beziehungen so komplex, folgenreich und herausfordernd. Die Antwort muss europäische Einigkeit sein. Es braucht eine gemeinsame Strategie nach dem Credo: kooperieren wo möglich, konkurrieren wo nötig, und konfrontieren wo notwendig.“
Dr. Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Deutschen Bundestag
Anton Hofreiter: Die EU muss sicherheitspolitisch besser zusammenarbeiten.
„Putins Angriffskrieg in der Ukraine macht uns auf bittere Art und Weise deutlich, dass die EU sicherheitspolitisch besser zusammenarbeiten muss. Dazu gehören kurzfristig die deutlich engere Zusammenarbeit der nationalen Armeen und eine gemeinsame Beschaffung. Die zentrale Herausforderung dabei ist es, dass Militärausgaben und Militäreinsätze einer konsequenten demokratischen Kontrolle unterliegen. Langfristig bedeutet Sicherheit für die EU, souveräner zu werden. Wir müssen uns unabhängig von Autokratien machen, enger mit unseren Nachbarregionen zusammenarbeiten und im Inneren konsequent die Rechtsstaatlichkeit umsetzen. Denn Rechtsstaatlichkeit im Inneren ist eine wesentliche Voraussetzung für die Stärke Europas nach Außen.“
Generalmajor Jürgen Setzer, Stellvertrender Inspekteur Cyber- und Informationsraum
Jürgen Setzer: Wir brauchen mehr Kooperation im Cyber- und Informationsraum.
„Wir stehen in Deutschland vor großen Herausforderungen, denn der Cyber- und Informationsraum macht nicht an Zuständigkeits- oder Ländergrenzen halt. Dies hat uns der russische Angriffskrieg wieder vor Augen geführt. Für Cybersicherheit müssen wir im digitalen Spektrum noch intensiver kooperieren. Hierbei hat sich die bisherige behördenübergreifende Zusammenarbeit im Nationalen Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ) und mit den multinationalen Partnern bewährt. Wir haben unsere gemeinsamen Prozesse und Fähigkeiten im NCAZ zuletzt weiter optimiert. Eine erste vernetzte Handlungsfähigkeit ist gegeben, die es konsequent weiter auszubauen und in Übungen zu prüfen gilt.“
Prof. Dr. Sven Bernhard Gareis,
Universität Münster
Sven Bernhard Gareis: Deutschland muss größere Verantwortung für die euroatlantische Sicherheit übernehmen.
„Russland führt Krieg nicht nur gegen die Ukraine. Sein Ziel ist die Zerstörung freiheitlich-demokratischer Gesellschafts- und Lebensformen sowie der zu ihrem Schutz geschaffenen Institutionen wie NATO und EU. In dieser Situation bedarf es der Standfestigkeit in der Unterstützung der Ukraine sowie der glaubwürdigen Abschreckung weiterer Aggressionen. An Deutschland als stärkste Volkswirtschaft Europas richten sich große Erwartungen. Dabei geht es um seine Beiträge zur euroatlantischen Verteidigung. Ganz besonders aber geht es um strategische Führungsverantwortung bei der Gestaltung europäischer Sicherheit – im Weimarer Dreieck, mit dem Vereinigten Königreich. Europa wird sich gegenüber den USA unter Donald Trump als starker transatlantischer Partner präsentieren müssen. Dies gelingt am besten durch die Fähigkeit, sich gegen die russische Gefahr zu behaupten.“
Roderich Kiesewetter (CDU), Obmann im Auswärtigen Ausschuss
Roderich Kiesewetter: Europa braucht Smart Power.
„Europa ist Kriegsziel in Russlands hybridem Krieg. Russland greift die regelbasierte Ordnung, unsere Freiheit und Demokratie an. Der Systemkonflikt zwischen regelbasierten Nationen und autokratischen Regimen wie China und Russland wird in den kommenden Jahren entschieden. Es ist deutscher Irrglaube, Wohlstand materiell zu definieren, nicht ideell. Unsere Abhängigkeit von billiger Energie aus Russland, billigen Wertschöpfungsketten aus China, billiger Sicherheit aus den USA ist gescheitert. Wir müssen in der EU und durch den Aufbau von Smart Power-Fähigkeiten unserer Verantwortung gerecht werden. Ohne ganzheitliche Sicherheit sind wir nicht zukunftsfähig.“
Dr. Hans-Peter Bartels (SPD), Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik und ehem. Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages
Hans-Peter Bartels: Volle Einsatzbereitschaft erfordert nicht nur mehr Geld.
„Erst seit Putins Überfall auf die Ukraine wird der beklagenswerte Zustand unserer eigenen Streitkräfte politisch wirklich ernst genommen. Mit einem ‚Sondervermögen‘ von 100 Milliarden Euro und dauerhaft zwei Prozent vom BIP würde das Projekt Vollausstattung“ der Bundeswehr endlich finanzierbar sein. So ließen sich materiell Deutschlands Zusagen an die Nato tatsächlich erfüllen. Allerdings erfordert das Versprechen voller Einsatzbereitschaft, zum Beispiel dreier Heeresdivisionen, eine Abkehr von der Bundeswehr-Sparreform aus dem Jahr 2011, die alles auf Auslandseinsätze wie in Afghanistan optimierte. Für die Bündnisverteidigung erforderlich sind dagegen „organische“ Verbände, die aus dem Stand heraus verlegefähig und einsetzbar wären, einschließlich Logistik und Sanität, Fernmeldern und ABC-Schutz. Salopp gesagt: Ohne Umgliederung würde „mehr Geld“ allein viel zu wenig Abschreckungs-Power kaufen.“
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