November 2025 // Friedensabkommen

Trumps Plan zur Beendigung des Krieges in der Ukraine

Prof. Dr. Joachim Krause leitete das Institut für Sicherheitspolitik an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel von 2002 bis 2023 und ist nun Direktor emeritus. Er war von 2001 bis 2016 Professor für Internationale Politik und Direktor am Institut für Sozialwissenschaften, Bereich Politikwissenschaft. Zudem wirkte er als geschäftsführender Herausgeber von SIRIUS - der deutschsprachigen Zeitschrift für strategische Analysen. Für Lagebild Sicherheit analysiert er den US-Plan für einen Frieden in der Ukraine.

Prof. em. Dr. Joachim Krause, bis 2023 Direktor des Institutes für Sicherheitspolitik in Kiel

Trump hat endlich das gemacht, was er schon lange wollte: heimlich einen Deal mit Russland über die Beendigung des Krieges in der Ukraine zu schließen und diesen dem ukrainischen Präsidenten mit einem so kurzfristigen Ultimatum vorzusetzen, dass weder er noch die Europäer genügend Zeit haben, um den Prozess zu stoppen oder zu beeinflussen. Ob dieser Plan aufgehen wird ist fraglich. Aber die Umstände, unter denen Trump diese neue „Friedensinitiative“ aufgelegt hat, legen einige sehr ernsthaft Fragen nahe.

Die Details dieses Plans sind in den vergangenen Tagen in den Medien durch und durch dekliniert worden, nachdem dieser von ukrainischen Politikern weitergegeben wurde, die Zugang zu dem Plan hatten. Die meisten Beobachter sprechen von einem Diktatfrieden, einem zweiten München Abkommen (1938) und davon, dass sich Trump mehr oder weniger auf die Seite Putins geschlagen habe. Die britische Zeitung The Guardian will ganze Passagen in Trumps Plan identifiziert haben, die nicht dem üblichen Gebrauch der englischen Sprache entsprechen, sondern den Schluss zulassen, dass russische Texte unmittelbar ins Englische übersetzt und somit übernommen worden sind.

Es gibt aber auch Stimmen, die in diesem Plan durchaus Positives finden. So werde die Souveränität der Ukraine betont, diese könne auch der EU beitreten und sie erhalte auch eine dem Nordatlantik-Vertrag vergleichbare Sicherheitsgarantie der USA für den Fall einer russischen Aggression. Außerdem sei die militärische Situation der Ukraine aussichtslos und dies sei noch das Beste, was sie erreichen könne. Tatsächlich enthält der Text derartige Passagen, aber die Hervorhebung von Prinzipien (wie der Souveränität der Ukraine) oder das Beteuern friedlicher Absichten haben in der russischen Diplomatie keinerlei ernst zu nehmenden Hintergrund. Das lehrt leider die Erfahrung der letzten drei Jahrzehnte. Und auch die nach dem Artikel 5 des Nordatlantikvertrags gestaltete Sicherheitsgarantie der USA für die Ukraine lässt dem US-Präsidenten im Fall einer erneuten russischen Aggression jeden Spielraum – auch den anstelle von US-Truppen erneut Steve Witkoff zu entsenden. Zudem ist die militärische Lage der Ukraine nach Einschätzung der meisten Analytiker keinesfalls hoffnungslos.

Man kann über die Vor- und Nachteile unendlich diskutieren. Derzeit sind drei Fragen viel wichtiger, die ernsthaft aufgegriffen werden müssen. Zum einen zeigt das Vorgehen der Trump Administration, wie weit sie sich von der westlichen Staatengemeinschaft distanziert hat und wie sehr der transatlantische Zusammenhalt der NATO heute in Frage steht. Zum zweiten werden sowohl die Ukrainer wie die Europäer entscheiden müssen, ob der Verteidigungskrieg gegen die russische Aggression ohne die USA fortgesetzt werden kann oder nicht. Sollte das nicht der Fall sein, dann lohnen sich die Debatten um das Für und Wider des Friedensplans kaum. Dann gilt nur noch das Prinzip Hoffnung. Zum dritten müssen die Europäer endlich damit beginnen ihre eigene Vorstellung von der Beendigung des Krieges zu entwickeln und auch konsequent umzusetzen.

Die Führungsmacht des Westens geht von der Fahne

Die Tatsache, dass Trump und sein putinophiler Sonderbeauftragter Steve Witkoff heimlich Verhandlungen mit Russland führen, ohne die europäischen Verbündeten einzubeziehen (lediglich der türkische Präsident Erdogan war eingeweiht) zeigt eines: für die Trump-Administration sind die Europäer nur lästiges Publikum, die ebenso wie Selenskyj die gewünschte Annäherung an Moskau und die erhofften Geschäfte mit Putin und seinem kriminellen Regime behindern. Das, was Trump zusammen mit seinem Sonderbeauftragten Witkoff hier vorgelegt hat, ist der größte und schlimmste Vertrauensbruch in der Geschichte der atlantischen Allianz, den eine Regierung in Washington je begangen hat.

Dieser Vertrauensbruch ist deshalb so schwerwiegend, weil hier der Präsident der westlichen Führungsmacht konspirativ und mit Blick auf finanzielle Profite Kriegspropaganda und Positionen derjenigen russischen Regierung übernimmt und offensiv vertritt, die derzeit die größte Bedrohung europäischer Sicherheit darstellt. Der britische rechtspopulistische Politiker Nathan Gill ist gerade zu mehr als 10 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er für viel Geld russische Propaganda und sogenannte „Friedenspläne“ in Parlament und Öffentlichkeit verbreitet hatte. Beide Fälle lassen sich nur begrenzt vergleichen, aber Gemeinsamkeiten gibt es doch. Und der Abstand zwischen „Vertrauensbruch“ und „Verrat“ ist nicht sehr groß.

Dieses Vorgehen lässt erkennen, dass Trump, sein Vize J.D. Vance und die engere Umgebung des Präsidenten letztendlich Isolationisten sind, denen die NATO eher eine Last ist als ein geopolitisches asset. Der ganze Pomp und Prunk des Besuchs im Buckingham Palast hat nichts genützt, auch nicht die vertieften Gespräche des Bundeskanzlers mit dem Präsidenten und auch nicht die teilweise grenzwertigen Schmeicheleien von Generalsekretär Rutte und anderen beim NATO-Gipfel. Man muss die Dinge realistisch sehen. Für Trump und seinen Vize Vance symbolisieren die Europäer genau das, was sie innenpolitisch bekämpfen: die verweichlichte und selbstzerstörerische Form der westlichen Zivilisation. Elon Musk sprach aus Anlass der Inauguration von Trump nicht zufällig davon, dass nunmehr das Überleben unserer Zivilisation gesichert sei. Zu dieser Ideologie gehört auch ein außenpolitischer „Realismus“ wie er zynischer nicht sein kann. So wie einst Carl Schmitt im Jahr 1941 davon fantasierte, dass eine internationale Ordnung darin bestehen müsse, dass jeder Kontinent eine Vormacht habe, so scheint für Trump die USA die Vormacht auf dem amerikanischen Kontinent zu sein. Was in Europa geschieht, müssen die Europäer mit den Russen ausmachen, wobei Trump eher auf Putin setzt als auf die Europäer. Und Asien scheint für die Trump Administration auch keine große Rolle mehr zu spielen.

Im 28-Punkte-Plan steht der Satz, dass die USA zwischen der NATO und Russland „vermitteln“ wollen. Das sagt alles über die Position Trumps und dessen Administration aus, die aus lauter Ideologen eines post-demokratischen Zeitalters besteht, in dem es keine Wertegemeinschaft mit anderen Demokratien mehr gibt, sondern nur noch die eng definierten Interessen der USA. Manche Anhänger der Politik Trumps sprechen davon, dass die USA halt den politischen Realismus praktizierten, den seinerzeit Thukydides in seinem Peloponnesischen Krieg beschrieben hat. Meistens haben diese Leute allerdings nur den Melier-Dialog gelesen. Tatsächlich beschreibt Thukydides sehr präzise, wie das attische Bündnis unter der Habgier und dem imperialen Gelüsten Athens zerfällt und Athen seine Bündnispartner verliert. Am Ende wird Athen von Sparta besiegt. Man gewinnt den Eindruck, dass Trump genau die gleichen Fehler begeht wie seinerzeit Athen.

In der NATO, so alle beteiligten deutschen Militärs, gehe derzeit noch alles so voran wie gewohnt. Das mag so sein und ist auch gut so. Aber man darf den Blick auf die politische Realität nicht verlieren. In Washington bahnt sich eine radikale Abwendung von der atlantischen Allianz an solange Trump Präsident ist, und sein Vize denkt darüber noch viel radikaler. Das mag nach den Midterm-Wahlen im November 2026 wieder etwas anders aussehen. Aber bis dahin ist noch viel Zeit und es reicht nicht aus, das Schlimmste verhindern zu wollen. Die Bundesregierung und andere europäische Regierungen müssen konkrete Vorbereitungen für den Fall treffen, dass sich die USA schneller aus Europa zurückziehen als erwartet.

Und sie wird sich auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, warum Trump so unverdrossen immer wieder auf Putin setzt. Die britische Journalistin und Buchautorin Catherine Belton hat in ihrem gut recherchierten Buch „Putins Netz“ beschrieben, wie Trump schon in den 80er Jahren in die Fänge russischer Geheimdienstler geriet und später durch russische Oligarchen und regierungsnahe Geschäftsleute vor Pleiten bewahrt worden ist. Dadurch stellen sich Loyalitäten ein, die für Außenstehende schwer einzusehen und zu verstehen sind. Und leider gibt es auch noch ideologische Gemeinsamkeiten zwischen Trump und Putin, die man nicht übersehen darf. Man kann sich des Eindrucks nicht erwecken, dass im Weißen Haus ein Präsident sitzt, der zum einen ein Werkzeug Putins ist und der zum anderen durchaus denkt, dass das, was er tut, seinen tiefsten Einsichten und Überzeugungen entspricht.

Vorbereitet sein auf die Konfrontation mit Moskau ohne die USA

Und nicht nur darauf müssen wir uns vorbereiten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seine Mitbürger in einer Fernsehansprache darauf eingestimmt, dass die Ukraine entweder ihre „Würde“ oder „einen wichtigen Partner“ verlieren wird. Das ist keine leere Phraseologie: Angesichts von Trumps Ultimatum – anders kann man das nicht bezeichnen – wird sich die Ukraine fragen müssen, ob sie in der Lage sein wird, sich auch ohne amerikanische Hilfe gegen die fortdauernde russische Aggression zu verteidigen. Zwar scheint Trump schon wieder in einem hastigen Interview auf dem Golfplatz leicht von seinem Ultimatum abgerückt zu sein. Aber im Prinzip ist das exakt sein Interesse: den Ukraine-Krieg so schnell wie möglich zu beenden, indem den Ukrainern eine kaschierte Kapitulation aufgezwungen wird.

Die Ukraine setzt sich derzeit ernsthaft mit der Frage auseinander, ob und wie sie den Krieg ohne US-Unterstützung fortsetzen kann. Da Washington keine Militärhilfe mehr leistet – alle Waffen und Munition kommen aus Europa bzw. einer globalen Koalition – geht es in der Hauptsache darum, wie wichtig die Informationen sind, die die USA den Ukrainern aus dem nachrichtendienstlichen Bereich überlassen. Diese Frage lässt sich schlecht von außen beurteilen, das müssen die ukrainischen Militärs beantworten. Bei der Beantwortung dieser Frage müssen auch die Europäer Farbe bekennen. Können sie die Rolle der USA ausfüllen, wenn sich die Ukraine entschließt auch ohne Washington weiter zu machen? Haben wir den Mut dazu? Sind wir bereit, dafür auch Risiken einzugehen? Aber eins ist sicher: Wenn die USA keinen Hebel mehr gegenüber Kiew in der Hand haben, dann kann Trump so viele Friedenspläne mit Putin ausmachen wie er will.

Die Strategie Europas

Und: wann kommt das europäische Konzept zur Beendigung des Krieges in der Ukraine und die damit verbundene Strategie? Es reicht nicht aus, immer wieder zu betonen, dass man die Ukrainer unterstütze solange wie sie es wollen. Es bedarf einer klaren Strategie, wie man Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen kann. Denn Russland hat eine verwundbare Wirtschaft und begeht unter Putin den gleichen Fehler wie einst die Sowjetunion. Man nennt das imperiale Überdehnung. Militärisch ist dieser Krieg für keine Seite zu gewinnen. Die entscheidende Frage wird sein, ob die Europäer die Kraft aufbringen, einerseits die Ukraine über Wasser zu halten und andererseits Russland wirtschaftlich so weit zu schaden, dass es den Krieg einstellen muss.

Ausblick

Die politischen Führer Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands zusammen mit anderen westlichen Regierungen haben den Trump-Plan und vor allem das damit verbundene Ultimatum abgelehnt. Sie haben zugleich betont, dass dieser Plan eine Ausgangsbasis für weitere Verhandlungen sein kann, aber sie haben das Ultimatum an Selenskyj zurückgewiesen. Ob diese Taktik dieses Mal wieder funktioniert, bleibt offen. Wir erleben seit Februar 2025 immer wieder, dass Trump versucht, der Ukraine einen schmutzigen Deal aufzugdrängen, der ähnlich katastrophale Folgen haben wird wie seinerzeit das Münchener Abkommen von 1938. Und jedes Mal schreiten die Regierungen der größeren europäischen Staaten ein und verhindern die Katastrophe. Aber dieses Mal hat Trump gezeigt, dass er bereit ist, größere Risiken einzugehen und härter vorzugehen als in den vorherigen Fällen. Die deutsche Regierung wird sich auf ein hartes Pokerspiel einstellen müssen.

Der Autor: Prof. Dr. Joachim Krause leitete das Institut für Sicherheitspolitik an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel von 2002 bis 2023 und ist nun Direktor emeritus. Er war von 2001 bis 2016 Professor für Internationale Politik und Direktor am Institut für Sozialwissenschaften, Bereich Politikwissenschaft. Zudem wirkte er als geschäftsführender Herausgeber von SIRIUS - der deutschsprachigen Zeitschrift für strategische Analysen.


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